Cyril Massimelli

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„Kunst ist die Wiedergabe der Welt um mich durch die Welt in mir“

Sie starren ins Leere. Sie bleiben in sich gekehrt, auch wenn sie einander zugewandt sind oder in Gruppen beieinander sitzen. Beziehungs-, ausdrucks- und emotionslos. Sie agieren nicht, sondern warten. Warten worauf? Dass etwas passiert? Irgendetwas um sie aus sich selbst zu befreien?

Statt sich gegenseitig in die Augen zu sehen, blicken die Personen zu Boden oder aneinander vorbei. Gerade die Beziehungslosigkeit der einzelnen Personen innerhalb der Gruppe unterstreicht den Eindruck der Isolation. Verstärkt durch ihre räumliche Nähe zueinander scheinen sich die Menschen auf den Bildern fremd, ihre Anordnung scheint inszeniert. Auch wenn es zunächst nicht auffällt, so bemerkt man bei näherem Hinsehen, dass jeweils eine Person nicht einfach so vor sich hinschaut. Sie schaut den Betrachter direkt an. Und dennoch entsteht keine Beziehung, der Betrachter wird nicht in das Bild geholt. Der auf den Bildbetrachter zielende Blick ist verklärt und passiv. Die Personen lassen es zu, angeschaut zu werden. Sie sind es gewohnt, es interessiert sie nicht mehr.

Die Interieurs auf Cyril Massimellis Bildern wirken wie Filmkulissen. Designerlampen, die im warmen Licht erstrahlen, strukturieren die Bilder durch Hell-Dunkel-Kontraste und fassen die dargestellten Personen in Gruppen zusammen. Die Einrichtung der Lounges ist perfekt durchgestylt und lässt auf Luxus schließen. Die Muster der Teppiche und Gegenstände, wie Lampen oder ein Aquarium sind liebevoll ausgewählt, arrangiert und bis ins Detail ausgeführt. Obwohl die Räume angefüllt sind mit Menschen und Mobiliar, wirken sie dennoch leer. Es herrscht keinerlei Unordnung, kein voller Aschenbecher, kein umgestoßenes Glas. Es befindet sich nichts in ihnen, was den Blick des Betrachters stören könnte. Wie Statisten am Set warten die Figuren auf den Hauptdarsteller. Cyril Massimelli ist Maler und Dramaturg zugleich. Das, was auf seinen Bildern zunächst gefällig, fast belanglos erscheint, entpuppt sich bei näherer Betrachtung als spannungsgeladen.

„Kunst ist die Wiedergabe der Welt um mich durch die Welt in mir“. Dieses Zitat ist von Edward Hopper - könnte aber ebenso von Cyril Massimelli stammen. Beide Künstler verbindet das Interesse an Architektur, an Fotografie und vor allem an der Inszenierung. Doch die wohl größte Gemeinsamkeit besteht darin, dass sowohl Hopper wie auch Massimelli in ihren Bildern ein Gefühl ausdrücken. Es ist das Lebensgefühl ihrer Generation, das sie einfangen und durch die Stimmung ihrer Bilder wiedergeben.

Seit Cyril Massimelli 1999 von Paris nach Dresden kam, ist er innerhalb Deutschlands viel gereist. In Stapeln von Skizzenbüchern hat er, wie in einem Tagebuch, all jene Dinge festgehalten, die ihm auf seiner Reise begegnet sind. In Zügen, Bars und Clubs sammelte er Ideen und Eindrücke.

Wie Hopper gelingt es Massimelli das Gefühl des Individuums in seinen Bildern wiederzugeben. Hopper beeinflusst die amerikanische Fotografie bis heute, wogegen Massimellis Blick sich aus der Fotografie heraus entwickelt hat. Er bricht jedoch die lineare Perspektive der Fotografie auf. „Die Perspektive der Fotografie ist eine Lüge“, sagt Massimelli, „es ist, als ob wir mit nur einem Auge bewegungslos auf die Welt blickten. Das hat mit der menschlichen Wahrnehmung von Realität nichts zu tun.“

Trotz der Aktualität des Designs und des Lebensgefühls der Arbeiten der Serie „Lounges“ strahlen die Bilder Massimellis etwas Vergangenes aus. Sind es die klassischen Hochsteckfrisuren der stereotypen Brünetten, ist es der Faltenwurf ihres Kleides, die Pose, in der sie dargestellt ist, oder ist es ihre schlanke, aber unsportlich wirkende Figur mit den herabfallenden Schultern? In all diesen Details durchwirken die alten Meister und das Schönheitsideal vergangener Zeit die moderne Innenarchitektur der Barszenen. Cyril Massimellis Bilder machen deutlich, dass nicht nur die moderne Malerei ein Produkt ihrer Geschichte ist. Mit den Mitteln der Kunst zeigt Massimelli Menschen in seiner Umgebung über den jetzigen Stand seiner Entwicklung hinaus. In „Lounges“ ist die Linearität der Zeit aufgehoben und durch ein Nebeneinander von Moden und Epochen ersetzt.

Carolin Modes / Esther Niebel

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